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In dem Policy Brief „Familien in der Coronapandemie“ widmet sich FReDA dem Leben in einer außergewöhnlichen Krisensituation. Die Autoren Prof. Dr. Martin Bujard, Dr. Inga Laß, Dr. Emily Lines und Dr. Helena Ludwig-Walz haben die Lebenszufriedenheit in der Krise untersucht und dabei insbesondere die Bedeutung von Familien unter die Lupe genommen.
Das Wichtigste in Kürze:
Die Coronapandemie hat das Leben der Menschen und die Gesellschaft massiv beeinflusst und zum Teil auch langfristig verändert. Durch die Pandemie, den Klimawandel, den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine sowie die hohen Energiepreise und hohe Inflation besteht eine lange nicht gekannte Parallelität von Krisen. Drei Jahre nach Beginn der Coronapandemie in Deutschland lassen sich Lehren aus den Erfahrungen mit der Pandemie ziehen, die sich nicht nur auf den gesellschaftlichen Umgang mit Pandemien, sondern teilweise auch generell auf Krisen übertragen lassen.
Grundlage dieser Studie ist das familiendemografische Panel FReDA, Datenrelease v.2.0.0 (DOI: 10.4232/1.14065), Bujard et al. (2023). FReDA ist eine repräsentative Befragung in Deutschland, bei der zwei Mal pro Jahr etwa 32.000 Personen im Alter von 18 bis 50 Jahren befragt werden (Schneider et al. 2021).
Insgesamt ist die durchschnittliche Lebenszufriedenheit in der Coronapandemie deutlich gesunken. Sie war im Frühjahr 2021, als weitreichende Maßnahmen zur Kontaktbeschränkung das Leben prägten, sehr niedrig. So schwankte die mittlere Lebenszufriedenheit in den Jahren vor der Pandemie laut Daten des Sozio-oekonomischen Panels um die 7,4 (Männer) bzw. 7,5 (Frauen) auf der Skala von 0 bis 10 Punkten. Im Frühjahr 2021 hingegen lag der Wert bei beiden Geschlechtern nur noch bei 6,7 Punkten. Im Verlauf des Jahres 2021 war eine Erholung auf jeweils 7,2 Punkte im Herbst 2021 zu beobachten, allerdings lag der Wert noch unter dem Vor-Corona-Niveau.
Abb. 1: Lebenszufriedenheit von Frauen und Männern vor und während der Coronapandemie
Lebenszufriedenheit von Frauen und Männern vor und während der Coronapandemie Anmerkungen: LZ = Lebenszufriedenheit, KI = Konfidenzintervall Quelle: FReDA-Wellen W1R, W1A, W1B 2021, SOEP v.37 (2015-2020). Quelle: © FReDA
Individuell existierten während der Pandemie erhebliche Unterschiede bei der Lebenszufriedenheit und den Belastungen von Kindern, Jugendlichen (Ludwig-Walz et al. 2022, 2023) und Eltern (Huebener et al. 2022; Racine et al. 2022). Die Lebenszufriedenheit kann von soziodemografischen Merkmalen sowie den Einstellungen zur Pandemie und Sorgen beeinflusst werden. Zudem bedarf es sog. Schutzfaktoren, um Krisen gesund zu meistern. Hierzu können zählen: Soziale Unterstützung, Selbstwirksamkeitserwartung und Optimismus. Diese Faktoren münden letztlich in der Resilienzfähigkeit von Personen, die die Widerstandskraft angesichts belastender Lebensereignisse erhöht (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 2012).
Um die bedeutsamsten Faktoren der Lebenszufriedenheit während der Pandemie benennen zu können, wurden mit FReDA multivariate Auswertung durchgeführt (Abbildung 2). Mit höherer Lebenszufriedenheit verbunden sind familiale Beziehungen, und dabei vor allem das Vorhandensein einer Partnerschaft. So war die Zufriedenheit bei Personen mit Partner bzw. Partnerin gegenüber anderen Personen um 0,73 Punkte höher. Auch ein hohes Einkommen, eine ausländische Herkunft, sowie ein positiver Blick auf die Pandemie (Zustimmung zur Aussage: „Ich kann dieser Zeit auch gute Seiten abgewinnen.“) waren mit einer höheren Zufriedenheit verbunden. Das Erleiden finanzieller Einbußen hatte hingegen einen deutlich negativen Zusammenhang mit der Lebenszufriedenheit, während die Angst zu erkranken und die Schwierigkeit, persönliche Kontakte einzuschränken, keine signifikanten Zusammenhänge aufwiesen.
Abb. 2: Lebenszufriedenheit nach Einschätzungen zur Pandemie und soziodemografischen Faktoren
Lebenszufriedenheit nach Einschätzungen zur Pandemie und soziodemografischen Faktoren Anmerkungen: Frauen und Männer im Alter von 18 bis 50 Jahren (n=32,947). Das Modell (R²=0,141) kontrolliert zusätzlich für den Erwerbsstatus. Werte links von der Nulllinie: negative Zusammenhänge, rechts: positive Zusammenhänge im Vergleich zur Referenzkategorie Quelle: FReDA-Welle 1R, 2021 (Bujard et al. 2023). Quelle: © FReDA
Sowohl Paare als auch Eltern – obgleich der Belastungen durch Kita- und Schulschließungen, wie BiB-Studien (u.a. Bujard et al. 2021, Ludwig-Walz et al. 2023) gezeigt haben – waren während der Coronapandemie im Durchschnitt zufriedener als andere Gruppen. In weiteren, hier nicht gezeigten Analysen, wurden nur Personen in einer Partnerschaft betrachtet. Dabei zeigte sich, dass die wahrgenommene Qualität dieser Beziehung den entscheidenden Unterschied für die Lebenszufriedenheit ausmachte.
Auch eine separate Analyse von Familien mit minderjährigen Kindern zeigte, dass nicht Elternschaft alleine mit Zufriedenheit verbunden ist. Vielmehr sind die wahrgenommene Qualität der Beziehung zu den Kindern, die emotionalen Bande und die alltägliche Kommunikation mit den Kindern die entscheidenden Faktoren für eine höhere Lebenszufriedenheit.
Soziale emotionale Unterstützung ist einer der am meisten untersuchten Schutzfaktoren und ein wesentlicher Faktor im Resilienzkonzept. Die Ergebnisse verdeutlichen, welchen wichtigen Faktor stabile Familienbeziehungen allgemein und gerade in der Pandemie für die Lebenszufriedenheit der Menschen darstellen und dass emotionale Unterstützung dabei helfen kann, gut durch Krisenzeiten zu kommen.
Ein sicheres und stabiles finanzielles Umfeld ist eine wichtige Säule für die Lebenszufriedenheit. Insbesondere sozial benachteiligte Personen und Familien haben vor der Pandemie mit finanziellen Einschränkungen umgehen müssen. Die Coronapandemie hat dabei bestehende soziale Ungleichheiten noch verschärft; so mussten viele um ihre Anstellung, ihren Lohn oder Karrieremöglichkeiten bangen. Etwa ein Drittel der FReDA-Befragten hatte während der Pandemie ernsthafte finanzielle Sorgen. Dies ist häufig auch mit psychischem Stress und einer Reduzierung der Lebenszufriedenheit verbunden. Das zeigt sich auch in den FReDA-Analysen, insbesondere bei Männern.
Neben den zahlreichen Belastungen in der Pandemie wurde in der FReDA-Studie auch danach gefragt, ob man der Pandemie „auch gute Seiten abgewinnen“ konnte. Gut die Hälfte, 54 Prozent der Befragten, stimmte dieser Aussage zu. Dies kann zumindest zum Teil als eine Operationalisierung von Optimismus innerhalb des Resilienzkonzepts angesehen werden. Optimistisch denkende Menschen vertreten die Lebensauffassung, alles von der besten Seite zu betrachten, Herausforderungen aktiv zu bewältigen und ihre Situation damit zu verbessern.
Andererseits ist jedoch auch zu betonen, dass die Frage, wer der Pandemie gute Seiten abgewinnen konnte, von den soziodemografischen Merkmalen und der Lebenslage der Personen abhing. Abbildung 3 zeigt in diesem Zusammenhang die Ergebnisse einer multivariaten Analyse der Frage, welche Personen dieser Aussage stärker zustimmten. Man sieht, dass es einerseits diejenigen waren, die ein relativ hohes Zeitbudget hatten (Teilzeitbeschäftigte und nicht aktiv Erwerbstätige) sowie diejenigen, die ihrer Arbeit zumindest teilweise im Homeoffice nachgehen konnten. Auch weitere Ressourcen wie ein hohes Einkommen, hohes Bildungsniveau, soziale Unterstützung und Religiosität waren mit einer positiveren Sicht auf die Pandemie verbunden, gesundheitliche Einschränkungen mit einer weniger positiven Sicht.
Abb. 3: Bestimmungsfaktoren der Fähigkeit, auch gute Seiten in der Pandemie zu sehen
Bestimmungsfaktoren der Fähigkeit, auch gute Seiten in der Pandemie zu sehen Anmerkungen: Frauen und Männer im Alter von 18 bis 50 (n=18,305). R²=0,032. Quelle: FReDA-Welle 1B, 2021 (Bujard et al. 2023). Quelle: © FReDA
Insgesamt unterstreichen die FReDA-Analysen zur Lebenszufriedenheit in der Coronakrise einen Dreiklang aus Faktoren, die protektiv in dieser Krise waren und auch für zukünftige Krisen relevant sein können:
Die Pandemie hat verdeutlicht, wie wichtig Familien für den gesellschaftlichen Zusammenhalt sind. Familien erfuhren allerdings gegenläufige Effekte: So waren sie einerseits während der pandemiebedingten Schulschließungen stärker belastet (Ludwig-Walz et al. 2023), hier sollten die Kinderrechte zukünftig stärker berücksichtigt werden (Fegert et al. 2023). Andererseits stärkt der familiale Zusammenhalt gerade in Krisenzeiten, was die FReDA-Befunde zur Lebenszufriedenheit bei Familien gezeigt haben.
In der Familie werden viele Sorgen besprochen und Problemlagen aufgefangen, gerade auch zwischen unterschiedlichen Generationen. Daher ist es wichtig, dass Familien gestärkt werden, besonders bei Konfliktlagen: Hierfür sind zielgruppenspezifische Maßnahmen zu empfehlen, bspw. Stärkung der Personaldecke in Kitas, Ausbau der Schulsozialarbeit und Familienberatungsstellen. Dabei müssen niederschwellige Zugänge für sozial benachteiligte Familien mitgedacht werden.
Geringe finanzielle Sorgen sind in Krisen eine notwendige Voraussetzung, eine vergleichsweise hohe Lebenszufriedenheit zu haben. Dies betrifft insbesondere das untere Drittel des Einkommensspektrums. Politische Maßnahmen wie das zu Beginn der Pandemie breit eingesetzte Kurzarbeitergeld haben dazu beigetragen, dass finanzielle Sorgen oder Arbeitsplatzängste häufig abgefedert werden konnten. Auch die frühzeitige Kommunikation dieser Maßnahmen war hilfreich. Allerdings konnten diese Maßnahmen offenbar nicht alle Familien ausreichend unterstützen.
Menschen, die Gefahr laufen, in Krisen in finanzielle Notlagen zu geraten, bedürfen daher besonderer Aufmerksamkeit, so zuletzt bei den finanziellen Herausforderungen infolge der gestiegenen Energiepreise und insgesamt hohen Inflation. Die Gaspreisbremse kann als Schritt in diese Richtung gewertet werden.
Resilienz durch Optimismus bedeutet, dass ein Blick auf andere Lebensaspekte in Krisen helfen kann. Dies ist zum einen eine Frage der Einstellung und der Persönlichkeit. Zum anderen entstehen auch in Krisen neue Chancen. Während der Pandemie hat bspw. die häufigere Nutzung von Homeoffice bei vielen, bei denen es beruflich möglich war, zu einer Entlastung geführt.
Aber auch die Politik kann zu Möglichkeiten für positive Erlebnisse während Krisen beitragen. Bspw. hat in der Energiekrise infolge des Ukraine-Krieges das 9-Euro-Ticket zu positiven Schlagzeilen und Erfahrungen beigetragen. Dabei kann die Stärkung des Öffentlichen Personenverkehrs und der Bahn sowohl der kriegsbedingten Energieknappheit begegnen als auch dem Klimaschutz dienen. Die Kommunikation unterstützender politischer Maßnahmen – auch im Sinne eines Narrativs, gemeinschaftlich gut aus der Krise zu kommen – kann in einer Krise Lösungswege zur Bewältigung der Herausforderungen aufzeigen und zu Optimismus beitragen.
Bujard, M; Driesch, E; Ruckdeschel, K; Laß, I; Thönnissen, C; Schumann, A; Schneider, NF (2021): Belastungen von Kindern, Jugendlichen und Eltern in der Corona-Pandemie. BiB.Bevölkerungs.Studien 2/2021.
Bujard, M, Gummer, T, Hank, K, Neyer, FJ, Pollak, R, Schneider, NF, Spieß, CK, Wolf, C et al. (2023): FReDA – The German Family Demography Panel Study (Study No. ZA7777; Data File Version 2.0.0). GESIS. http://dx.doi.org/10.4232/1.14065
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (2012): Resilienz und psychologische Schutzfaktoren im Erwachsenenalter. Forschung und Praxis der Gesundheitsförderung. Band 43.
Fegert, JM; Ludwig-Walz, H; Witt, A; Bujard, M (2023): Children’s rights and restrictive measures during the COVID‑19 pandemic. Child and Adolescent Psychiatry Mental Health 17, 75.
Huebener, M; Waights, S; Spiess, CK; Siegel, N; Wagner, GG (2021): Parental Well-Being in Times of Covid-19 in Germany. Review of Economics of the Household 81, 91–122.
Ludwig-Walz, H; Dannheim, I; Pfadenhauer, LM; Fegert, JM; Bujard, M (2023): Anxiety increased among children and adolescents during pandemic‑related school closures in Europe. Child and Adolescent Psychiatry Mental Health 17, 74.
Racine, N; Eirich, R; Cooke, J; Zhu, J; Pador, P; Dunnewold, N; Madigan, S (2022): When the Bough Breaks. Infant Mental Health Journal 43, 36–54.
Schneider, NF; Bujard, M; Wolf, C; Gummer, T; Hank, K; Neyer, F (2021): Family Research and Demographic Analysis (FReDA). Comparative Population Studies 46, 149–186.
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